17.06.2025
Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hat den 40 Jahre alten syrischen Staatsangehörigen Alaa M. wegen mehrerer Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen gegen Personen sowie wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt. Der Senat hat darüber hinaus die besondere Schwere der Schuld festgestellt und die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung angeordnet.
Das OLG sah es als erwiesen an, dass sich Alaa M. in zehn Fällen eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit schuldig gemacht hat, nämlich in zwei Fällen unter anderem durch Tötung und in den weiteren acht Fällen durch Folter, davon in zwei Fällen zugleich in Tateinheit mit einem versuchten Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch Beraubung der Fortpflanzungsfähigkeit. Einer der abgeurteilten Fälle erfüllt laut Gericht zugleich den Straftatbestand des Mordes, drei Fälle verwirklichten zudem den Straftatbestand des Kriegsverbrechens gegen Personen.
Der Angeklagte habe in den Jahren 2011 und 2012 als ziviler Arzt in einem Militärkrankenhaus in Homs/Syrien sowie in einer ebenfalls in Homs befindlichen Hafteinrichtung der Abteilung 261 des syrischen Militärgeheimdienstes gefangenen Patienten, die der syrischen Opposition zugerechnet wurden, erhebliche körperliche Leiden zugefügt und zwei Patienten vorsätzlich getötet.
Im Einzelnen liegen der Verurteilung laut OLG zwei Fälle zugrunde, in denen der Angeklagte den Tatopfern, darunter einem höchstens 14 bis 15 Jahre alten Jungen, die Genitalbereiche entblößte und mit Desinfektionsalkohol in Brand setzte. In weiteren Fällen habe er gefangene Patienten mit einem Urinkatheter geschlagen und einem Tatopfer die Genitalien gequetscht. An einem Patienten, der eine Oberschenkelfraktur erlitten hatte, habe der Angeklagte einen Teil des chirurgischen Eingriffs – das Geradeziehen der Bruchstelle – ohne Narkose durchgeführt.
Darüber hinaus habe Alaa M. zwei inhaftierte Patienten misshandelt, von denen einer an Epilepsie litt und Krampfanfälle erlitten hatte. Anstatt diesen Patienten medizinisch zu versorgen, habe er ihm eine tödlich wirkende Tablette verabreicht. Wie vom Angeklagten beabsichtigt, sei der Patient hieran gestorben.
Einen anderen gefangenen Patienten, der zur Folterung an einem Seil- oder Kettenzug aufgehängt worden war, habe Alaa M. zusammen mit weiteren Krankenhausbediensteten geschlagen. Nachdem der Gefangene wieder zu Boden gelassen worden war, habe der Angeklagte dessen Arm mit Desinfektionsalkohol verbrannt. Einem Mitgefangenen habe er mit dem Schuh auf eine vereiterte Wunde am Ellenbogen zugefügt. Als Blut und Eiter herausliefen, habe der Angeklagte Desinfektionsalkohol über die Wunde gegossen und sie angezündet. Außerdem habe er seinem Tatopfer einen massiven Tritt in den Mundbereich versetzt und es mit einem flexiblen Schlagstock bis zur Bewusstlosigkeit geschlagen.
Einen sich ihm widersetzenden Gefangenen habe Alaa M. mittels einer Injektion getötet. Er handelte dabei aus Sicht des OLG aus niedrigen Beweggründen, weil er mit der Tötung vor anwesenden Mitgefangenen seine Macht demonstrieren und zugleich ein Exempel statuieren wollte, um das Aufbegehren eines Teils der syrischen Bevölkerung zu unterdrücken.
Sämtliche Taten des Angeklagten seien eingebunden in einen ausgedehnten und systematischen Angriff gewesen, den das syrische Regime unter dem damaligen Staatspräsidenten Bashar al-Assad seit dem Arabischen Frühling gegen Teile der eigenen Zivilbevölkerung führte. Als Anhänger Assads habe der Angeklagte die – tatsächlichen oder auch nur mutmaßlichen – Regimegegner abstrafen wollen, wobei ihm das Quälen dieser Personen zugleich Freude bereitet habe. Nachdem sich die Auseinandersetzungen in Syrien spätestens mit Beginn 2012 zu einem nichtinternationalen bewaffneten Konflikt ausgeweitet hatten, hätten sich die Taten des Angeklagten insoweit auch gegen Personen gerichtet, die nach dem humanitären Völkerrecht geschützt sind.
Der Angeklagte habe die Tatvorwürfe bestritten. Er sei vor allem überführt worden durch Vernehmung von mehr als 50 Zeugen, darunter ehemalige Ärztekollegen aus dem Militärkrankenhaus in Homs sowie von ihm misshandelte Tatopfer.
Wegen der Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch Tötung und wegen Mordes hat der Senat auf lebenslange Freiheitsstrafe erkannt. Diese war mit den in den weiteren Fällen ausgeurteilten Einzelstrafen als Gesamtstrafe festzusetzen. Vor allem angesichts der Vielzahl der vom Angeklagten verwirklichten Verbrechenstatbestände des Völkerstrafgesetzbuches, des langen Tatzeitraums sowie des Missbrauchs der ärztlichen Stellung hat das OLG die besondere Schwere der Schuld festgestellt.
Zugleich hat der Senat Sicherungsverwahrung angeordnet, weil der Angeklagte infolge eines Hanges zur Begehung erheblicher Straftaten für die Allgemeinheit gefährlich sei. Dies stütze sich maßgeblich auf die Ausführungen eines forensisch-psychiatrischen Sachverständigen, wonach Alaa M. sadistische Neigungen habe und diese zusammen mit anderen Persönlichkeitsmerkmalen ein entsprechendes Rückfallrisiko begründeten.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Verfahrensbeteiligten, insbesondere der Angeklagte und seine Verteidiger, können Revision einlegen, über die der Bundesgerichtshof zu entscheiden hätte.
Mit dem Urteil hat der Senat den Haftbefehl neu gefasst und die Fortdauer der Untersuchungshaft angeordnet, in der sich der Angeklagte seit dem 20.06.2020 befindet.
Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 16.06.2025, 5 - 3 StE 2/21-4 - 2/21